Jeder Mensch beherbergt eine Fülle sogenannter Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze, Hefen und Viren – Schätzungen zufolge etwa 1,3-mal mehr als eigene Zellen mit einem Gesamtgewicht von rund zwei Kilogramm. Die meisten davon leben im Darm. Früher sprach man von der „Darmflora“, man dachte nämlich, die kleinen Helfer gehörten zu den Pflanzen. Seit sie vor rund 15 Jahren näher in den Fokus der Forschung rückten, heißen die winzigen Bakterien, Viren und Pilze und ihre komplexen Zusammenschlüsse nun korrekt „Mikrobiom“ – das bedeutet „kleinste Lebewesen“. Ein gesundes Mikrobiom besteht aus einer Vielzahl unterschiedlichster Mikroorganismen, besonders aus schützenden Bakterienkulturen.
Aber wie kommt ein Baby dazu und wozu genau benötigt es die kleinen Mitbewohner?
Ein Ungeborenes im Mutterleib ist zunächst noch völlig frei von mikrobiellen Untermietern. Der Startschuss für die Besiedelung fällt erst mit der Geburt. Unzählige Mikroorganismen suchen sich dann innerhalb kürzester Zeit ihren Platz in und auf dem neuen Erdenbürger und stecken rasant ihre Claims ab. Doch nicht nur die Mikroflora auf Haut und Schleimhäuten, sondern auch die des Darms schützen euer Kind dabei vor feindlichen mikrobiellen Übergriffen. Besonders das Darmikrobiom, die größte Mikrobenkolonie des Körpers, trainiert als „Personal Coach“ ab sofort tagtäglich seine individuelle Immunabwehr. Für das immunologisch zunächst noch unreife Neugeborene ist dies (über-)lebenswichtig.
Die ersten mikrobiellen Siedler im Babys Darm stammen normalerweise aus den mütterlichen Geburtswegen. Bei einer Geburt auf normalem Wege nimmt das Neugeborene die Starterkeime während der Passage durch die Scheide auf. Nur 24 Stunden später sind die ersten Bakterien schon im Säuglingsstuhl nachweisbar. Einige davon verbrauchen nun fleißig Sauerstoff und bereiten dadurch den Darm vor für den Einzug der nächsten Mikrobenfamilie. Diese, später mal größte Gruppe verträgt nämlich keinen Sauerstoff und ist deshalb auf die hungrigen Sauerstofffresser angewiesen.
Lebenswichtig: Nette Bakterien
Als nächstes machen es sich die wichtigen Bifidobakterien und in geringerem Maße auch Milchsäurebakterien (Laktobazillen) im Darm gemütlich. Ihren Namen haben die freundlichen Abwehrspieler von ihrer Form: „bifidus“, lateinisch, bedeutet „gespalten“ oder „gabelförmig“.
Bifidos sind besonders widerstandsfähig, kontrollieren unerwünschte Darmbakterien und Krankheitserreger und sorgen so für einen gesunden Darm. Sie können sogar Kohlehydrate, sogenannte Polysaccharide (wie z.B. bestimmte Zucker) zu Essig- und Milchsäure abbauen. Dabei säuern sie das Darmmilieu an und machen so möglichen Krankheitserregern das Leben schwer. Denn Milchsäure bildet eine natürliche Barriere, welche die meisten Krankheitserreger kaum durchbrechen können. Aber falls sie diese „Abzäunung“ trotzdem überwinden sollten, steht eine Armee gesunder Bifidokämpfer Schulter an Schulter parat. Die kleinen Helden besetzen die Darmwand nämlich so dicht, dass die krankmachenden Eindringlinge kaum Platz finden, sich dicke zu machen.
Gestillte Säuglinge bekommen über die Muttermilch bestimmte Stoffe (sogenannte Humanmilch-Oligosaccharide bzw. HMO), die das Wachstum und das Überleben von Bifidobakterien im Darm fördern. Die Darmflora von Babys, die Säuglingsmilch erhalten, enthält neben Bifidobakterien vor allem auch Bakterien der Gattungen Bacteroides und Enterobakterium.
Natürlich wohnen diese darmtypischen Keime auch im Bauch gestillter Säuglingen – allerdings haben voll gestillte Säuglinge ein insgesamt einfacheres Mikrobiom mit sehr vielen Bifidobakterien.
Bei Kindern, die ausschließlich mit Säuglingsnahrung aufwachsen, gibt es eine größere Zahl verschiedener Mikroben und der Anteil der Bifidobakterien geringer. Dieser Unterschied löst sich allerdings komplett auf, sobald das Baby Beikost und feste Nahrung bekommt.
Übrigens könnt ihr den Bifido-Einzug ins Babybäuchlein sogar ohne mikrobiologische Kenntnisse bemerken:
Der typisch säuerliche Geruch von Babys Hinterlassenschaften in der Windel ist ein aromatisches Resultat der Arbeit von Bifidobakterien. Später beim Zufüttern, und vor allem ab Einführung der Beikost, kommen weitere Bakteriengruppen hinzu. Dazu zählen u.a. verschiedene Keime mit einer großen Vorliebe für Eiweiße. Der Abbau dieser Ernährungsbausteine macht sich wiederum geruchlich bemerkbar: Der Stuhl des Nachwuchses fängt an, unangenehm zu riechen.
Ordentlich was los im Darm
Etwa gegen Ende des ersten Lebensjahrs erreicht Babys Darmflora weitgehend die Zusammensetzung der Erwachsenen. Dann haben unvorstellbare 100 Billionen bis eine Billiarde Bakterien aus etwa 400 verschiedenen Arten Heimat in seinem Darm gefunden. Doch ganz ohne mikrobielle Turbulenzen wie Wundsein, Windeldermatitis oder auch Blähungen und Koliken geht das meist nicht vonstatten, denn Wirt und Untermieter müssen sich eben langsam aneinander gewöhnen.
Bifidobakterien gehören zu den wichtigsten Mikroorganismen der Darmflora. Es gibt verschiedene Arten, von denen jede einzelne einzigartige Eigenschaften hat. Sie spielen eine zentrale Rolle für die Gesundheit und übernehmen wichtige Aufgaben:
Bei Töpfer beforschen wir diese Mikroorganismen schon sehr lange. Bereits im Jahr 1948 war unser „Bifido-Wuchsstoff“ Bestandteil von Spezial-Nahrungen, die an Universitätskliniken zur Behandlung von Verdauungsstörungen reif- und frühgeborener Kinder eingesetzt wurden. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen setzen wir unserer eigenen Säuglingsnahrung schon seit 1966 wertvolle Bifido-Kulturen zu. Unsere bewährte Mischung heißt „Probifido“ und enthält vier spezielle Bifidobakterienstämme, die sich besonders häufig in der Darmflora von gestillten Babys finden lassen:
Von der Erfahrung zur Wissenschaft
Unsere Säuglingsnahrungen entwickeln wir kontinuierlich und nach höchsten wissenschaftlichen Standards weiter. Trotz der langjährigen, sehr guten Erfahrung lassen wir unsere Bifido-Kulturen – wie von Experten und Fachgesellschaften empfohlen – immer wieder in Studien untersuchen. Auch die aktuelle bestätigte die hohe Sicherheit und Verträglichkeit von Probifido in der Säuglingsmilch und belegte erneut die positiven Auswirkungen auf die Darmflora von Säuglingen[1]. Die Säuglingsmilch mit Probifido von Töpfer ist also nicht nur sehr sicher und sehr gut verträglich, sondern sie kann im Vergleich zu Säuglingsmilch ohne Probifido positive Effekte bei gesunden Babys erzielen.
[1] : Bazanella Monika, Maier T. et al.: Randomized controlled trial on the impact of early-life intervention with bifidobacteria on the healthy infant fecal microbiota and metabolome, The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 106, Issue 5, November 2017, doi.org/10.3945/ajcn.117.157529
In den ersten Lebensmonaten übernimmt das Mikrobiom eine wichtige Schlüsselrolle für die immunologische Zukunft des Kindes. Denn die Reifung der kindlichen Darmschleimhaut und des Immunsystems sind eng mit seiner Entwicklung verknüpft. Der Darm ist nämlich so etwas wie die Schaltzentrale des Immunsystems: er beherbergt fast 80 Prozent der Körperimmunzellen. Das gilt besonders für Säuglinge.
Man könnte sagen: seine Darmbakterien nehmen euer Kleines an die Hand und bringen seinem Immunsystem das Laufen bei.
Störungen der Darmflora machen sich meist unmittelbar in einer Verschlechterung der Abwehrlage bemerkbar. Dann kann es gehäuft zu Verdauungsstörungen, Entzündungen, Infekten, allergischen Reaktionen und Unverträglichkeiten etc. kommen.
Die Darmflora macht das Immunsystem aber nicht nur fit für die Auseinandersetzung mit „Bösewichten“. Sie ist auch daran beteiligt, dass der Säugling lernt, einzelne Nahrungsbestandteile immunologisch nicht überzubewerten. Diesen Lernprozess nennt man „orale Toleranz“. Dabei unterdrücken die körpereigenen Mikroorganismen Reaktionen gegen Antigene alltäglicher Nahrungsmittel. Funktioniert dies nicht, können Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten entstehen. Die Darmschleimhaut spielt dabei eine große Rolle, denn nur eine intakte Schleimhautbarriere kann den unkontrollierten Übertritt von körperfremden Stoffen aus dem Darm verhindern. Und auch das Mikrobiom hat dabei wieder seine Finger im Spiel. Denn die Darmschleimhaut erreicht ihre vollständige Reife und Funktionsfähigkeit nur mit Hilfe der Mikroorganismen. Die enge Verbindung zwischen Darmflora und -schleimhaut bleibt dann auch lebenslang bestehen.²
Und er denkt doch, der Bauch!
Als Erwachsene kennen wir das: wir haben ein „gutes oder schlechtes Bauchgefühl“, treffen Entscheidungen „aus dem Bauch“ heraus oder haben gar „Schmetterlinge im Bauch“.
Diese Redewendungen zeigen, wie eng unser Verdauungssystem mit unserem Gehirn verbunden ist. Ermöglicht wird dies durch ein eigenes Nervensystem mit bis zu 200 Millionen Nervenzellen, das von der Speiseröhre bis zum Enddarm reicht, das sogenannte Bauchgehirn oder „enterische Nervensystem“ (ENS). Ebenso wie das Kopfgehirn lernt auch unser enterische Nervensystem. Es speichert Informationen über die verschiedenen Nahrungsbestandteile ab. Dadurch kann es, je nach aufgenommenem Lebensmittel, die richtigen Botenstoffe und Verdauungsenzyme ausschütten, um die passende Verdauung zu gewährleisten. In Zusammenarbeit mit dem „Kopfgehirn“ reguliert es auch die Bewegung der Darmmuskulatur, den Blutfluss im Verdauungstrakt und die Immunfunktion des Darms.
Auf Achse zwischen Darm und Hirn
Beide Nervensysteme „telefonieren“ über den Vagusnerv miteinander, der das Kopf- mit dem Bauchhirn verbindet. Von diesem regen Austausch bekommen wir aber nur selten etwas mit. Der Bauch hat dabei übrigens dem Kopf mehr zu sagen als umgekehrt - rund 90 Prozent aller Infos gehen von unten nach oben, nur lediglich 10 Prozent in die andere Richtung. Das Bauchgehirn teilt dann z. B. mit, dass Giftstoffe über die Nahrung in den Körper gelangt sind. Das Gehirn sorgt in der Folge dafür, dass das enterische Nervensystem Erbrechen oder Durchfall einleitet, um das Gift aus dem Körper zu entfernen.
Für ihr vertrauliches Gespräch benutzen Darm und Hirn dieselbe Sprache.
Mehr als 20 Botenstoffe (Hormone) werden im Darm produziert, darunter auch der größte Teil des körpereigenen Serotonins – jenem Botenstoff, der für Glücksgefühle und gute Laune verantwortlich ist. Außerdem bildet Serotonin die Vorstufe für die Produktion des Schlafhormons Melatonin, das uns eine erholsame Nachtruhe schenkt.
Vermutlich aus diesen Gründen wachsen bei Babys Gehirn und Mikrobiom nach der Geburt parallel heran. Der Zusammenhang zwischen Darm und Hirn ist hier sozusagen lebensbestimmend: ein sattes Baby ist zufrieden und entspannt, ein hungriges verzweifelt und ungeduldig - und wenn es Pupse, Schlafmangel oder zu viele Sinnesreize quälen, ist es unruhig und quengelig.
Ein „glücklicher“ und gesunder Darm ist also wichtig für unser aller Wohlbefinden, von klein auf!
Macht Dreck auch Speck?
Vermutlich wird es euch aus hygienischen Gründen nicht immer leichtfallen, aber für die Entwicklung des Darms und seiner Abwehrkräfte ist das intensive „Begreifen" unterschiedlicher Gegenstände mit Händen, Füßen und vor allem dem Mund für euer Baby sehr wichtig. Denn dadurch gelangt eine Auswahl verschiedenster Bakterienvölker in den kindlichen Verdauungstrakt. Welches Völkchen sich später als nützlicher Darmbewohner erweist, ist zunächst ungewiss. Aber selbst, wenn die Bakterien noch nicht so richtig ins System passen, sind sie ein guter Trainingspartner für Babys Immunzellen.
Ihr müsst euer Zuhause also nicht möglichst keimfrei halten und könnt im Normalfall auf aggressive Reinigungs- oder gar Desinfektionsmittel verzichten.
Auch Mieze und Bello müssen in Normalfall dem neuen Erdenbürger nicht weichen. Fehlt dem kindlichen Immunsystem die Konfrontation mit nicht krankmachenden Mikroben und ungefährlichen Parasiten, sucht es nämlich nach anderen „Gegnern“. Nicht selten findet es diese in Antigenen, die zwar eigentlich ungefährlich sind, aber auf die es dann überempfindlich reagieren kann. Die Folge ist leider eine immer mehr zu beobachtende Zunahme von Autoimmunerkrankungen wie Allergien, Asthma und entzündlichen Darmerkrankungen.
Ein guter Start?
Nicht immer verläuft die Entwicklung der kindlichen Mikroökologie ideal. Das beginnt leider bereits mit der Geburt. Aufgrund oft übertriebener Hygienemaßnahmen erhält in den Industrieländern heute nur etwa ein Drittel der Neugeborenen bei der Geburt seine Starterkeime aus der mütterlichen Flora. Stattdessen bilden vielmehr Keime aus der Krankenhausumgebung das Fundament. Bei Naturvölkern ist der Anteil mütterlicher Keime bei dieser „Grundsteinlegung“ im Neugeborenen-Darm wesentlich höher. Ein weiteres Problem ist das bei Schwangeren relativ häufig bestehende bakterielle Ungleichgewicht der Vaginalflora (Dysbiose). Diese erhöht nicht nur das Frühgeburtsrisiko, sondern kann auch die Entwicklung einer gesunden Darmflora des Neugeborenen behindern.
Mikroökologisch betrachtet haben Kaiserschnitt-Kinder einen schlechteren Start ins Leben. Sie bekommen normalerweise erst beim ersten Anlegen die Möglichkeit, eine Portion von Mamas Keimen aufzunehmen – allerding erst einmal nur diejenigen, die sich auf Mamas Haut tummeln. Die Erstbesiedlung des Darmes wird deshalb mehr oder weniger zufällig aus Keimen der (Krankenhaus-) Umgebung gespeist.
Im Vergleich zu vaginal geborenen Kindern haben Kaiserschnittkinder deshalb häufiger eine gestörte und verzögerte Darmbesiedelung mit guten Keimen. Aus diesem Grund können sie leichter und häufiger an Infektionen erkranken.
Gut, zu wissen
Studien lassen vermuten, dass besonders bei nicht gestillten, per Kaiserschnitt geborenen Kindern Säuglingsmilchen mit Probiotika den Start der richtigen Darmbesiedelung mit Bifidobakterien anschieben.1
Schließt sich dazu noch ein längerer Krankenhausaufenthalt an, vielleicht sogar mit einer frühzeitigen Antibiose, sind die mikroökologischen Turbulenzen noch größer.
Deshalb ist die Idee des „Vaginal Seeding“, bei dem das Vaginal-Mikrobiom der Mutter nachträglich per Tupfer oder Finger auf das durch einen Kaiserschnitt geborene Kind übertragen wird, aus immunologischer Sicht ziemlich schlau: Es soll nachgeholt werden, was bei einer vaginalen Geburt „zwangsläufig“ passiert. Denn die Übertragung der mütterlichen vaginalen Bakterienflora ist immens wichtig für die Magen-Darm-Funktion des Neugeborenen und ebenso wesentlich für die zügige Entwicklung seines Immunsystems.
Und für alle, die diese Methode ziemlich sonderlich finden, sei hier erwähnt, dass pro innigem Kuss bis zu 80 Millionen Keime ausgetauscht werden.
Bussi, Ihr Lieben! ❤
[1] Chua MC, Ben-Amor K, Lay C, Neo AGE, Chiang WC, Rao R, Chew C, Chaithongwongwatthana S, Khemapech N, Knol J, Chongsrisawat V. Effect of Synbiotic on the Gut Microbiota of Cesarean Delivered Infants: A Randomized, Double-blind, Multicenter Study. J Pediatr Gastroenterol Nutr. 2017 Jul;65(1):102-106. doi: 10.1097/MPG.0000000000001623. PMID: 28644357.
[2] Es gibt eine Studie der CAU Kiel zum lebenslangen Zusammenhang der mikrobiologischen Entwicklung mit der Darmschleimhaut und des Immunsystems, die an Gnotobioten durchgeführt wurde: Fulde M, Sommer F, Chassaing B, van Vorst K, Dupont A, Hensel M, Basic M, Klopfleisch R, Rosenstiel P, Bleich A, Bäckhed F, Gewirtz AT, Hornef MW. Neonatal selection by Toll-like receptor 5 influences long-term gut microbiota composition. Nature. 2018 Aug;560(7719):489-493. doi: 10.1038/s41586-018-0395-5. Epub 2018 Aug 8