Das Schreien beginnt meist mit der zweiten Lebenswoche und endet bei einem Großteil der betroffenen Babys im Laufe des vierten Monats, daher der Begriff „Dreimonatskoliken“. Bei manchen Kindern dauert diese Phase jedoch das gesamte erste Lebenshalbjahr über an. Weil die Ursache bis heute wissenschaftlich nicht eindeutig geklärt ist, lehnen zahlreiche Experten die Bezeichnung „Dreimonatskoliken“ inzwischen ab. Sie sprechen stattdessen von „exzessivem Schreien“, „Regulationsstörungen“, „Schreibabys“ oder auch „untröstlich weinenden Kindern“.
In den meisten Fällen beginnen diese Kinder am Nachmittag oder frühen Abend zu quengeln und untröstlich zu schreien, was sich bis tief in die Nacht hineinziehen kann. Mit gellenden Schreien zieht das Baby die Beine an den Bauch heran und ballt die Händchen zu Fäusten. Das Gesicht ist meist hochrot, der Rücken überstreckt. Aufgrund der beim Schreien verschluckten Luft ist das Babybäuchlein gebläht und häufig hart. Tagsüber kommt das Baby nur schwer zur Ruhe, meist schläft es nicht länger als eine halbe Stunde am Stück. Es findet insgesamt weniger Schlaf als seine Altersgenossen.
Ab wann das Schreien als übermäßig gilt, definiert die sogenannte Dreier-Regel: Das Kind schreit mindestens drei Stunden täglich. Und zwar an mehr als drei Tagen in der Woche und länger als drei Wochen. Typisch ist, dass das Baby ohne erkennbaren Grund weint und sich durch nichts trösten lässt.
Nicht jedes Schreikind zeigt alle Symptome und nicht jedes Baby schreit genau nach Definition. Doch auch wenn euer Baby „nur“ zweieinhalb Stunden lang schreit oder dieser Zustand „bloß“ zwei Wochen anhält – nicht die Uhr, sondern das Ausmaß der Belastung in der Familie sollte den Anstoß dafür geben, dir Unterstützung und Hilfe zu suchen.
Für exzessives Schreien kann es in seltenen Fällen auch eine organische Ursache geben. Das heißt, das betroffene Kind leidet an einer Krankheit, die bisher nicht erkannt wurde. Gehe deshalb unbedingt zum Kinderarzt, wenn dein Baby langanhaltende Schreiepisoden zeigt und es sich nicht beruhigen lässt.
Du kannst dir sicher sein: Dein Baby schreit weder grundlos noch absichtlich. Mit seinem Schreien teilt es dir zum Beispiel mit, dass es hungrig, müde, gelangweilt oder überreizt ist. Dass ihm der Trubel zu viel, das Licht zu hell, die Stimmen zu laut sind. Zu Beginn seines Lebens ist sich ein Säugling seiner Empfindungen noch gar nicht bewusst: Er spürt zwar Unbehagen, weiß jedoch nicht, wodurch diese Empfindungen ausgelöst oder verändert werden können. Dies lernt er erst durch den Umgang mit Bezugspersonen, die sein Verhalten spiegeln und sinnvoll darauf reagieren. In dem Maße, in dem du selbst lernt, die Hilferufe deines Babys richtig zu deuten, sich in seine Bedürfnisse einzufühlen und entsprechend darauf zu reagieren, wird sein Schreien mit der Zeit allmählich abnehmen. Allerdings gilt auch hier: Das eine Baby lernt schneller, das andere etwas langsamer. Versuche auf jeden Fall, geduldig zu bleiben, auch wenn das nicht immer leicht ist.
Wenn ein Baby so viel weint und schreit, dass dadurch der ganze Tagesablauf einer Familie aus den Fugen gerät, kann es hilfreich sein, ein „Schreitagebuch“ zu führen und mit dessen Hilfe den Tag besser zu strukturieren. In dieses Tagebuch trägst du zwei Wochen lang ein, wann und wie lange euer Baby schreit. Halte auch fest, was ihr tagsüber tut und wie dein Baby darauf reagiert. Anschließend nimmst du das Buch zur Hand und versucht herauszufinden, was deinem Kind in welcher Situation gutgetan hat: Schläft es mittags besser im Tragetuch? Dann nutzt die Zeit des Mittagsschlafs für einen gemeinsamen Spaziergang, die Ruhe und die frische Luft wird euch beiden guttun. Schreit es immer besonders lang nach dem abendlichen Waschen oder Baden? Dann verlege dieses am besten in die Morgenstunden. So tastet ihr euch an einen Tagesrhythmus und kleine, immer wiederkehrende Rituale heran. Diese bringen wieder ein wenig Ordnung in euren Tag - das tut nicht nur dem Baby gut, sondern auch dir.
Damit die geschluckte Luft im Bäuchlein keine Schmerzen verursacht, muss sie wieder entweichen können. Wichtig ist deshalb das "Bäuerchen" nach jeder Mahlzeit. Lege dein Baby nach dem Trinken über die Schulter auf ein Spucktuch, und beklopfe seinen Rücken von unten nach oben sanft mit der hohlen Hand. Du kannst dein Kleines auch auf den Schoß legen und zart von hinten nach vorne über die große Fontanelle (= die Knochenlücke im vorderen Schädelbereich) streicheln. Das Aufstoßen erfolgt meistens nach wenigen Minuten.
In der ersten Zeit sind Babys abends oft unruhig. Sie benötigen noch ganz viel Körperkontakt, Aufmerksamkeit, Wärme und Zuwendung. Sie können noch nicht allein sein und nicht einfach ruhig in ihrer Wiege oder im Bettchen einschlafen. Wenn du das bei deinem Baby beobachtest, versuche doch mal Folgendes: Vielleicht schläft dein Kind auf deinem Bauch oder auf Papas Brust leichter ein? Es kann dann deinen Herzschlag hören, die Atmung spüren, deine Körperwärme und den vertrauten Geruch genießen. Das gibt ihm Sicherheit und Geborgenheit. Du brauchst auch nicht zu befürchten, dass du dein Kleines mit deiner Liebe verwöhnst, im Gegenteil: Du stärkst damit sein Vertrauen in das Leben.
Wenn du feststellst, dass Tragen und Gehaltenwerden deinem Baby dabei helfen, ruhig zu werden und sich zu entspannen, probiere doch mal ein Tragetuch aus: Das Getragenwerden im Tuch hat Ähnlichkeit mit dem „Tragen“ in der Gebärmutter. In der warmen und geborgenen Umhüllung fühlen sich die meisten unruhigen Babys sehr wohl. Vorteile: Du hast beide Hände frei und schonst deinen Rücken.
Bei Verdauungsbeschwerden hat sich seit langem der berühmte „Fliegergriff“ bewährt, bei dem du dein Kind bäuchlings auf deinen Unterarm legst, sein Köpfchen gut abstützt und es leicht wippend umhertragt. Wechsele dich beim Tragen mit jemandem ab, und ruhe dich zwischendurch immer wieder etwas aus.
Säuglinge haben noch keinen stabilen Wärmehaushalt. Überprüf e auch, ob es deinem Kind warm genug ist - normalerweise ist ein Neugeborenes rosig. Ist ihm zu kalt, sieht seine Haut marmoriert oder blass-bläulich aus. Dies kann sich auf Arme und Beine beschränken, aber auch den Rumpf betreffen. Ein überhitztes Kind hat meist einen deutlich roten Kopf. Am besten kannst du die Temperatur des Kindes im Nacken fühlen. Stehen hier Schweißperlen, ist es überhitzt.
Ziehe deinem Kleinen ausreichend warme Kleidung an, das unterstützt seine Verdauungstätigkeit. Ein kleines angewärmtes Kirschkern- oder Dinkelspelzkissen, das du deinem Kind zwischen Hemd und Unterhemdchen steckst, ist ebenso sehr hilfreich. Pass‘ aber auf, dass das Kissen nicht zu heiß ist!
Auch eine Bienenwachsauflage mit verdünntem (2%_igem) Kümmel-, Fenchel- oder Kamillenöl besänftigt die Bauchorgane und hilft, zu entspannen. Hochwertige, naturreine Wachsauflagen gibt es sogar schon für Säuglinge fertig zu kaufen, z. B. die Bäuchleinwickel mit Schafgarbe, Fenchel oder Kümmel von WACHSWERK. Dort gibt es auch ein komplettes Auflagen-Set mit zwei hauchdünnen bienenwachsgetränkten Seidenauflagen und einem kleinen, mit Rohwolle gefülltem Seidenkissen.
Sanfte Baucheinreibung mit einigen Tropfen eines „Windelöls“ z. B. mit Fenchel-, Koriander- oder Kümmelextrakten schaffen Linderung. Beginne sanft mit kleinen kreisenden Bewegungen im Uhrzeigersinn um den Bauchnabel und vergrößere dann langsam die Kreise. Streiche in Richtung des linken Oberschenkels aus. Dadurch bewegst du die Luft im Dickdarm in die richtige Richtung, und dein Kind wird seine Windchen schneller los.
Auch Planschen im warmen Wasser kann schon mal ein lösendes Blubberspektakel bewirken. Im warmen Wasser entspannen sich Babys oft, weil sie dadurch an das geschützte und geborgene Leben im warmen Fruchtwasser erinnert werden.
Führen all diese Maßnahmen nicht zur Besserung, kannst du deinem Kind nach Rücksprache mit dem Kinderarzt oder deiner Hebamme auch wirksame pflanzliche oder homöopathische Arzneimittel verabreichen. Frag‘ einfach nach.
Wenn du stillst, kaue selbst mehrfach täglich einige Kümmelsamen, weil du so die Wirkstoffe über die Muttermilch an dein Kind weitergibst. Trinkt dein Kind zu hastig und verschluckt sich häufig, wechsle deine Stillpositionen öfter.
Überfordere dein Kind (und dich selbst) nicht. In ihrer Not spulen viele Eltern ein Programm ab, das ihr untröstlich weinendes Baby überfordert, statt es zu beruhigen: herumtragen, singen, reden, streicheln, stillen, spielen … und manchmal alles auf einmal.
Wenn dein Baby weint, probiere nicht zu viele Ablenkungs- und Beruhigungsmethoden nacheinander aus. Gerade Schreikinder brauchen meist etwas länger, um sich auf eine Beruhigungsmethode einstellen zu können. Bleibe für etwa zehn Minuten bei der gewählten Methode und versuche erst dann etwas Anderes. Dein kleiner Schreihals wird sonst zusätzlich überreizt und schreit noch mehr.
Sorge auch für eine „beruhigte“ Umgebung. Spieluhren, Mobiles, Kuscheltiere oder wild gemusterte Bettwäsche, grellfarbene Kindermöbel und Ähnliches bieten untröstlich weinenden, sensiblen Schreibabys oft ebenfalls bereits zu viele Sinnesreize.
Nutze gute Wachphasen für entspannte Zwiegespräche und Spiele. Widerstehe der Versuchung, ausgerechnet dann etwas anderes zu erledigen. Je entspannter die Wachphasen deines Babys verlaufen, desto besser wird sein Schlaf sein.
Finde heraus, was genau dein Baby in Stress versetzt: Weint es bei vielem Trubel und lauten Geräuschen? Dann sind lärmender Besuch und ein im Hintergrund dauerdudelndes Radio tabu. Fühlt dein Kind sich in der Weite des Kinderbettchens verloren? Dann lege ihm ein Kuschelnestchen ins sein Bett. Scheint es durch die vielen Eindrücke überfordert zu sein, kannst du auch das Zimmer abdunkeln, wenn es dann besser schläft. Versuche, einen möglichst immer gleichen Tagesrhythmus mit festen Schlaf- und Wach-Zeiten einzuführen. Vermeide vor allem Übermüdung. Versuche, dein Baby anfangs nach einer bis eineinhalb Stunden wieder zur Ruhe und dann bald zum Schlafen zu bringen. Wichtig ist auch, dass du selbst zur Ruhe findest, so schwer dir das auch fallen mag. Dein Baby spürt deinen Stress, deine Unsicherheiten und Ängste nämlich sehr genau.
Sorge für einen regelmäßigen Tagesablauf. Das gibt deinem Kind Sicherheit, und es kann sich in seinem Alltag besser orientieren. Versuche mit liebevoller Unterstützung eine regelmäßige Abfolge von Wachsein – Stillen/Füttern – (oft folgt nur ein kurzes Nickerchen) – Wachphase (meist besonders aufmerksam) – Ruhe und Schlaf zu finden. Unregelmäßige oder gar chaotische Essens- und Schlafenszeiten sind weder für dich noch für dein Kind gut, daher kannst du hier ruhig mit etwas Rhythmus nachhelfen und solltest besonders die Schlafenszeiten nicht allein deinem Kind überlassen!
Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Für die Erziehung eines Kindes braucht es ein ganzes Dorf“. Das heißt: Alle helfen mit, wenn Eltern Unterstützung und Hilfe brauchen. Und zwar am besten dauerhaft und verlässlich. Das besagte Dorf, das die Kinder gemeinsam großzieht, gibt es bei uns nur noch selten. Das moderne Dorf heißt Netzwerk: Suche dir jemanden, der dir auch das weinende Baby einmal abnimmt, mit ihm spazieren fährt oder es ein wenig herumträgt. Und löse dich von dem Gedanken, dein Baby beruhigen zu müssen, schenke ihm stattdessen Trost.
Lass‘ dir von Freunden, Verwandten und Bekannten helfen. Außenstehende können ein weinendes Kind manchmal eher zur Ruhe bringen als seine angespannten Eltern. Lass‘ auch andere dein Kind trösten. Ziehe dich kurz zurück und genieße die Ruhe ohne das Gefühl, versagt zu haben. Lerne, konkrete Bitten zu formulieren, wie, wann und von wem du entlastet werden möchtest. Und hab‘ bitte kein schlechtes Gewissen, wenn du dir in dieser Zeit eine Pause gönnst. Die hast du mehr als verdient! Niemand hat etwas davon, wenn du fix und fertig bist und nicht mehr kannst. Bestimmt wirst du dich irgendwann einmal auf andere Art revanchieren können.
Eltern untröstlich weinender und schreiender Babys wissen oft nicht mehr ein noch aus. Sie fühlen sich als schlechte Eltern und sind völlig fertig mit den Nerven. Bitte mache dir unbedingt erst einmal klar: Du bist am Schreien deines Kindes nicht schuld!
Wenn du das Gefühl hast, dass du deinem Kind nicht mehr helfen kannst und dich selbst nach Unterstützung sehnst, nimm unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch. Auch wenn du Groll, Ärger oder Wut deinem Kind gegenüber entwickelst oder dich bei dem Gedanken ertappst, wie viel schöner dein Leben ohne es wäre, benötigst du fachlichen Rat. Suche dir nicht erst dann Hilfe, wenn du völlig am Ende bist! In vielen Städten gibt es an Kliniken, Praxen, Erziehungsberatungsstellen, Jugend- und Gesundheitsämter angegliederte Schreisprechstunden. Erfahrene Kinderärzte, Psychologen, Pädagogen, Hebammen, Familienhebammen und Therapeuten analysieren deine persönliche Situation und bieten individuelle Hilfe an.
Der Stress, der durch ein über längere Zeit schreiendes Baby ausgelöst wird, kann starke Aggressionen hervorrufen. Kommen dann noch der eigene Schlafmangel und fehlende Entspannungsmöglichkeiten hinzu, verstärken sich Enttäuschung, Wut und Verzweiflung. Das ohnmächtige Gefühl, dem Geschrei des Babys hilflos ausgeliefert zu sein, entsteht. Aus dieser als aussichtslos empfundenen Situation heraus können auch Gewaltphantasien oder tätliche Übergriffe auf das Baby die Folge sein.
Sollte das bei dir der Fall sein, ist dies zwar nachvollziehbar, aber vor allem ist es allerhöchste Zeit, dass du und dein Kind sofort professionelle Hilfe bekommt. Bitte schüttele oder schlage dein Kind wirklich niemals! Durch diese unkontrollierten Handlungen könnte es passieren, dass du dein Baby lebensgefährlich verletzt. Unter www.schreibaby.de findest du nach Postleitzahl geordnete Adressen von Therapeuten und Schreiambulanzen, die dir in deiner Not rasch und kompetent weiterhelfen können.
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