Akupunktur ist eine anerkannte Heilmethode der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), die in der Schwangerschaft eine hilfreiche Erweiterung medizinischer Therapiemöglichkeiten bei typischen Beschwerden sein kann. Auch zur Geburtsvorbereitung, während und nach der Geburt wird heute häufig akupunktiert. Hier erfahrt ihr, was ihr über die langen, dünnen Nadeln und ihre Wirkung wissen müsst.
In der Traditionellen Chinesische Medizin (TCM) sind Krankheiten der Ausdruck einer gestörten Körperharmonie. So gelten z.B. Gefühle als Auslöser vieler Erkrankungen, auch die Ernährung, Umwelteinflüsse und Lebensumstände wie z.B. Stress spielen ebenfalls eine große Rolle.
Die Akupunktur soll deshalb die körpereigene Balance wiederherstellen und die Selbstheilungskräfte stimulieren. Sie ist eine Reiztherapie mit langer Tradition: bereits seit mehr als 3000 Jahren wird im asiatischen Kulturkreis erfolgreich akupunktiert – heute profitiert davon auch der Rest der Welt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine Liste von circa 100 Erkrankungen veröffentlicht, die sich für eine Akupunkturbehandlung anbieten. In Deutschland werden Akupunktursitzungen von den gesetzlichen Krankenkassen bei chronischen Rücken- und Knieschmerzen sogar als Regelleistung bezahlt, nachdem wissenschaftliche Studien die Wirksamkeit belegen konnten
Zur Behandlung werden feine, sterile Nadeln aus Stahl mit einem Durchmesser zwischen 0,14 und 0,20 mm an bestimmten festgelegten Stellen in die Haut gestochen. Diese Stellen sind die „Akupunkturpunkte“, die alle auf den so genannten Meridianen liegen. In diesem weit verzweigten System von Leitbahnen, die auch miteinander vernetzt sind, fließt das sogenannte Qi, die Lebensenergie.
Es gibt 14 Hauptmeridiane, von denen jeder einem Organsystem zugeordnet ist. Sie verlaufen längs der Körperachse sowohl an der Hautoberfläche als auch im Inneren des Körpers. Daher sind die Meridiane auch die Verbindung zwischen „innen“ und „außen“. Kann die Lebensenergie frei durch diese Leitbahnen fließen, ist der Mensch nach der Betrachtungsweise der TCM gesund. Kommt es jedoch zu Stauungen oder Blockaden, treten Funktionseinschränkungen auf. Bleiben diese unbehandelt, können sich daraus auch ernste Krankheiten entwickeln. Bei der Akupunktur werden deshalb zur Behandlung die Punkte ausgewählt, über die der Reiz der Nadel eine Blockade des Energieflusses lösen kann.
Das Setzen stimulierender Reize durch die Nadeln aktiviert im Gehirn verstärkt schmerzlindernde und stimmungsaufhellende Substanzen. Diese körpereigenen Stoffe heißen „Endorphine“ – ihr kennt sie sicher unter ihrer deutschsprachigen Bezeichnung „Glückshormone“. Diese docken an Rezeptoren im Rückenmark und Gehirn an und verhindern, dass Schmerzreize des Körpers in das schmerzverarbeitende Zentrum des Gehirns weitergeleitet werden. So wirken sie als ein natürliches Schmerzmittel oder sogar als kurzfristige Betäubung.
Auch unmittelbar an der Einstichstelle reizen die Akupunkturnadeln die Schmerznerven, verbessern die lokale Durchblutung und setzen weitere schmerzlindernde Substanzen (Opioide) frei. Auch werden sogenannte Reflexbögen im Rückenmark aktiviert, die Schmerzen hemmen, die Muskulatur lockern und innere Organe (wie z.B. den Magen) entspannen. Durch den Einstich wird außerdem ein System aktiviert, das sich „Schmerzhemmungskontrolle“ nennt. Das heißt: durch den Schmerzreiz an einer Stelle nimmt die Schmerzempfindlichkeit an einer anderen Stelle des Körpers ab.
Akupunktur wird deshalb eingesetzt zur:
Bei der Nadel-Akupunktur sitzt oder liegst du in einer für dich angenehmen Position. Deine Hebamme oder Ärztin wählt aufgrund der Schilderung deiner Beschwerden und ihrer Diagnose entsprechende Punkte aus und setzt dort die Nadeln. Je nach Symptom dauert es zwischen 20 und 30 min, bis die Nadeln wieder entfernt werden.
In der Schwangerschaft ist die Dauer der Anwendung allerdings meist etwas kürzer, da der Körper oft intensiver auf die Behandlung reagiert. Während der gesamten Behandlungsdauer bleibst du in einer entspannten und unterstützten Position. Du spürst vielleicht ein Kribbeln oder auch Wärme, die plötzlich durch deinen Körper fließt – manchmal sogar ein heftiges Zittern. Das sind Anzeichen dafür, dass die Akupunktur wirkt. Sie beeinflusst die Durchblutung, das Nervensystem und regt die Aktivität der Zielorgane an.
Der Einstich der Nadel tut im Normalfall nicht weh. Wenn du dennoch Angst davor hast, können statt der Nadel auch Wärme, Laserstrahlen, Ultraschall- oder Stromwellen eingesetzt werden. Sprich mit deiner Hebamme oder deinem Arzt.
Während der Schwangerschaft ist die Behandlung von Beschwerden und Befindlichkeitsstörungen nicht immer einfach. Viele Medikamente sind jetzt nicht geeignet, eine Selbstmedikation kommt nicht infrage. Einige Beschwerden sind aber auch völlig „normal“ und gehören dazu, sind aber trotzdem beeinträchtigend. Zur Linderung eignen sich dann viele Methoden der so genannten Komplemtärmedizin.
Die Akupunktur ist bei typischen Schwangerschaftsbeschwerden, in der Geburtsvorbereitung, bei der Geburt und auch im Wochenbett (z. B. bei schmerzhaften Nachwehen, verändertem Wochenfluss, zur Unterstützung der Milchbildung, Taubheitsgefühlen an der Kaiserschnittnarbe, Schlafstörungen, Verdauungsproblemen etc.) einsetzbar. Mittlerweile gibt zahlreiche Hebammen, die eine zusätzliche zertifizierte Akupunkturausbildung absolviert haben. Entsprechende Behandlungen werden auch in manchen Klinikkreißsälen angeboten.
Bei diesen Beschwerden kann Akupunktur in der Schwangerschaft helfen:
Studien konnten zeigen, dass geburtsvorbereitende Akupunktur bei einer unkomplizierten Schwangerschaft die Reifung des Gebärmutterhalses unterstützen und weicher machen kann. Dadurch dauerte die Geburt im Schnitt um circa zwei Stunden weniger[1]. Außerdem wurden die Wehen durch die Akupunktur produktiver, was den Geburtsvorgang ebenfalls förderte[2]. Zudem wurden – vermutlich als Folge davon - weniger wehenfördernde Mittel benötigt und die Kaiserschnittrate sank um ca. 10 Prozent.
Mit der geburtsvorbereitenden Akupunktur solltest du etwa in der 35. Schwangerschaftswoche beginnen. Die Behandlungen sollten einmal wöchentlich über mindestens 4 Wochen durchgeführt werden. Akupunktiert werden üblicherweise Punkte am Ohr, an der Handfläche, unter dem Knie und
am kleinen Zeh. In den letzten Wochen vor der Geburt kann dir deine Hebamme auch eine so genannte Dauernadel im Ohr setzen. Sie stimuliert den entsprechenden Punkt über mehrere Tag/Wochen hinweg.
Akupunktur kann auch zur Schmerzlinderung bei der Geburt genutzt werden. Durch gezieltes Nadeln z. B. im Unterbauch, am Rücken oder im Bereich der Beine, ist es möglich, das Schmerzempfinden auch jetzt zu reduzieren. Erfahrungsgemäß wird dadurch der gesamte Geburtsvorgang positiv beeinflusst. Schmerzlinderung führt zu mehr Entspannung und einer besseren Atmung, dies unterstützt die Wehentätigkeit und Geburtsdauer. Ein Nachteil ist, dass du durch die Nadeln eventuell in deiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt sein kannst.
Die Kosten für eine Akupunktur-Sitzung liegen zwischen 25 Euro und 60 Euro, je nachdem wie lange die Behandlungseinheit dauert. Auch wenn viele Hebammen über die Zusatzausbildung verfügen, ist die Akupunktur keine Hebammenleistung, die von der Krankenkasse gedeckt wird. Die Akupunktur ist also zuallererst einmal privat zu bezahlen. Bei körperlichen Beschwerden, wie z.B. chronischen Kopf- oder Rückenschmerzen oder starker Übelkeit, kannst du die Rechnung bei deiner Krankenkasse einreichen und bekommst häufig eine Teilerstattung. Nachfragen lohnt sich!
[1] Römer A, Weigel M, Zieger W, Melchert F (2000) Veränderungen der Zervixreife und Geburtsdauier nach geburtsvorbereitender Akupunkturtherapie. Das Mannheimer Schema. Geburtsh Frauenheilkd 60: 513–518
[2] Zeisler H, Rabl M, Husslein P. Prenatal treatment with acupuncture affects prostaglandin serum level in the first stage of labor. Deutsche Zeitschrift für Akupunktur 2000; 1: 40